Verkehrspolitik im Kino. Und fast alle wollen dabei sein.
Um halb sieben standen wir mit unseren Gästen Lerke Tyra, Dr. Stephan Keller, Norbert Czerwinski, Prof. Thomas Fenner, Dr. Suthold und Moderator Jan Gathmann vom Radtouren-Magazin im Foyer des Metropol Kinos. Die leise Befürchtung, dass die Anzahl der Zuschauer recht überschaubar bleibt, kam auf. Fünfzehn Minuten später reichte die Schlange an der Kasse bis auf die Straße und Kalle Somnitz von den Filmkunstkinos fragte, warum unsere Besucher denn so spät kommen. Vor der Tür wurde dann zumindest ein Grund für eine Verzögerung deutlich, das Umfeld der Brunnenstraße ist nicht nur als Parkrevier für Autos ein schwieriges Pflaster, die Anzahl der Plätze, an denen man ein Rad fest schließen kann ist auch recht überschaubar. Dies führte zumindest zu einer lustigen Fahrradskulptur unmittelbar vorm Kino.
Vor “Bikes vs Cars” gab es auf unseren Wunsch einen kurzen Trailer der Organisation World Bicycle Relief, der uns vermittelt, das der tägliche Kampf der Verkehrsteilnehmer in unseren Ballungsgebieten auch ein Auswuchs unseres Lebens in Luxus und Überfluss ist. Für viele Menschen beschränkt sich ihr Radius auf den Bereich, den man zu Fuß erreichen kann. In ländlichen Gegenden Afrikas zum Beispiel kann der Weg zur Schule, zur Arbeit oder zum Kunden so weit sein, dass ein Fahrrad ein Leben verändert. Und nicht nur das Leben des Menschen, der das Rad bekommt, sondern manchmal das Leben seiner ganzen Familie oder seines Umfelds. Das Fahrrad ist bekanntlich eine sehr effiziente Erfindung, die noch heute in unserer hochtechnisierten Welt Lebensqualität verbessern kann.
Auch “Bikes vs. Cars” sieht im Rad eine Lösung für unsere Verkehrsprobleme, der Ansatz ist natürlich ein anderer. Während es in Afrika darum geht, Entfernungen zu überbrücken, so geht es in den Metropolen der Welt eher darum, den Verkehrsinfarkt aufzulösen und wieder Fortbewegung zu gewährleisten. Autos, so wie wir sie heute nutzen, brauchen zu viel Platz, zu viel Energie und schaden der Umwelt. Völlig gleichgültig, ob sie bewegt oder ob sie einfach nur geparkt werden. Das verschwindende Auto bleibt erstmal Utopie. Platz ist in Städten ein zu wertvoller Faktor, als das wir viel davon einem Gefährt geben sollten, das meistens für Strecken unter 5 Kilometer Entfernung eingesetzt wird. Fahrräder können helfen, Verkehr zu verflüssigen, weil sie Autos ersetzen können.
Die Teilnehmer unserer Gesprächsrunde nach dem Film haben selbst unterschiedlichste Beziehungen zu Auto, Fahrrad und Verkehr, wobei alle sich darin sicher sind, dass das Rad Teil der Lösung unserer Probleme ist. Während vor geraumer Zeit bei Planern, Handel und Politik die autogerechte Stadt als ein erstrebenswerter Status erschien, ist nun die Erkenntnis gereift, dass Autoverkehr die Lebensqualität in Städten zumindest nicht verbessert. Früher wurde das Fahrrad gerne von der Straße entfernt, um freie Fahrt für Autos zu gewährleisten. Heute bringt man es wieder auf die Straße, vor allem, weil Radfahren sichtbarer und somit auch sicherer wird.
Die Vergangenheit hat bewiesen, dass es egal ist, wie viele Straßen für den Automobilverkehr gebaut wurden und werden, sie reichen nicht, weil sie immer mehr Autos nach sich ziehen, den Städten der Raum aber schon längst ausgegangen ist. Daher müssen für Ballungszentren alternative Konzepte gesucht und gefunden werden. Das Fahrrad hat bereits vor der Motorisierung Menschen mobil gemacht und tut es heute noch. Wenn so konträre Interessenverbände wie ADAC und ADFC bzw. ihre Interessenvertreter da im Großen und Ganzen einer Meinung sind, so kann man sicher sein, dass es sich hier nicht um Worthülsen handelt, sondern um die schlichte Erkenntnis, dass der Weg des motorisierten Individualverkehrs, so wie wir ihn heute kennen, dort keine Zukunft hat.
Deutlich wurde der immense Gesprächsbedarf, der beim Thema Radverkehr zwischen Stadtplanung, Ordnungsinstanzen und Bürgern besteht. Auch wenn der Ansatz im Film eher globaler Natur war, so wurde in der Diskussionsrunde sehr schnell seitens der Bürger die lokale Ebene betreten, Düsseldorf war das Thema. Die Stadt setzt sich hohe Ziele: Man will, so Dr. Keller, im Jahr 2020 die fahrradfreundlichste Stadt in NRW sein. Aber es wurde auf der Bühne und im Zuschauerraum deutlich, das es keinen Verkehr im leeren Raum gibt. Alles, was passiert, passiert fast ausschließlich auf bestehenden Flächen, die neu verteilt werden müssen. Und hier gilt es die Interessen aller zu beachten. Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger müssen gleichberechtigt behandelt werden.
Als Fazit bleibt, dass das Thema Verkehr mit dem Fokus Fahrrad offensichtlich die unterschiedlichsten Bürger interessiert. Es besteht Bedarf an Information und Austausch, ein Umstand, von dem alle profitieren können. Schade ist, dass unsere lokalen Printmedien nicht vor Ort waren, um die Diskussion mit ihren Mitteln weiterzuführen. Ein Thema, das so viele Menschen bewegt, hätte sicherlich etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.
Ein spannender Gedanke zum Schluss: der Film muss mal vor ein autobegeistertes Publikum. Ein Kino voller Pendler, die sich täglich in den Stau stellen, voller Autofahrer, die mehr Platz für Autos zum Parken und Fahren fordern. Die Wahrnehmung und Akzeptanz des Films wird eine andere sein. Es wäre interessant, mit welchen Ergebnissen. Weil alles, was wir anders machen wollen in unserer Zukunft, nur gemeinsam geht, im Konsens.
Es bleibt spannend.
Da wir von der Mütze aber erstmal Fahrradcafé und Radladen sind, dürfen wir ein klein wenig parteiisch sein. Und sei es alleine deshalb, um dieses wunderbare Zitat der Motor City Five hier unterzubringen:
“Brothers and sisters, the time has come for you to make a choice. Are you going to be part of the problem or the solution. It is time to testify. And brothers and sisters, I want to know, are you ready to testify? I give you our testimonial, the MC5”
MC5, Detroit 1969.
Seht euch Bikes vs. Cars im Kino an, solange ihr die Chance habt. Er läuft derzeit in einigen lokalen kleinen Kinos, das Metropol zeigt ihn erneut am 13.12.2015 um 12:30 Uhr.
2016 wird der Film als DVD erscheinen.
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