Hinterher ist man immer schlauer – zehn Jahre Schicke Mütze

Hinterher ist man immer schlauer – zehn Jahre Schicke Mütze

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren netterweise viele tolle Komplimente bekommen, aber ich persönlich habe mich sehr über die Aussage gefreut, dass Erfolg und Bedeutung der Mütze das Ergebnis harter Arbeit sind. Nicht, weil ich die Qualität einer guten Idee nicht wertschätzen kann, sondern weil ich glaube, dass langfristiger Erfolg meistens etwas mit guter, ehrlicher Arbeit zu tun hat. Okay, klingt nach so ner schrägen Old-School-Haltung, aber das passt ja ganz gut zu einem Radladen…

Ein Radcafé in Düsseldorf? Schicke Mütze? Was sich für unsere Blase aus Klassikerausfahrt, Stahlrennern und Rapha-Videos vor zehn Jahren ganz normal anhörte, sorgte seinerzeit für einige Verwirrung. Warum Düsseldorf? Köln hat doch eine ganz andere und vor allem viel mehr Radkultur. Hinterhof? So wenig Außenwerbung? Wer soll euch denn finden? Die Bude übersteht kein halbes Jahr. Ein Haufen Quereinsteiger ohne Ahnung macht n‘ Hipsterladen auf. Und dann verkaufen die Socken und Mützen im großen Stil. Und warum Schicke Mütze? Viele Meinungen aus den unterschiedlichsten Richtungen, dazu aber ebenso oft Anerkennung und Komplimente für Mut, Engagement und unser kleines, aber feines Programm. Und es gab Prognosen, die wahr wurden: die Bude wird euch bald zu klein. (O-Ton Stefan Maly wenige Tage nach der Eröffnung)

Es wäre vermessen, zu behaupten, dass wir damals den Masterplan gehabt hätten. Wie sagte Mitgründer Dieter Mauermann so schön: hätten wir einen Businessplan geschrieben, hätten wir es nie gemacht. Aber wir haben es gemacht. Mit Engagement, Leidenschaft, Hang zur Selbstausbeutung und viel Unterstützung aus unserem Umfeld. Es war nicht nur Glück, dass der Zeitpunkt so gut war, es war auch die Überzeugung, dass sich etwas tun muss, dass Radfahren eine neue Bedeutung bekommen muss, ob als bester Sport der Welt oder als perfektes innerstädtisches Mobilitätskonzept. Wir wollten helfen, Motor sein, Entwicklungen vorantreiben und Veränderungen begleiten.

Unser Laden hätte damals viele Richtungen einschlagen können, wir haben früh die Bedeutung von Lastenrädern gesehen und verstanden, die Auseinandersetzung mit Radverkehr in Düsseldorf war und ist wichtig für uns. Und sicherlich nach zehn Jahren voller Ereignisse noch immer die größte Baustelle unserer Heimatstadt, einfach weil anscheinend jeglicher Mut und Wille zur Veränderung fehlt. Jeder verlorene Parkplatz scheint ein kleiner Weltuntergang in Köpfen zu sein, denen nicht bewusst ist, wie sehr sie auch ihrem eigenen Glück im Wege stehen.

Die Mütze ist aus Gesprächen bei Ausfahrten entstanden. Netzwerken und Kommunikation im Rahmen der Klassikerausfahrt. Man hat uns am Anfang oft als Retro-Laden bezeichnet, ein Begriff, gegen den ich mich gewehrt habe, weil er viel zu wenig abbildete, was die Idee der Mütze umfasste. Es ging nicht darum, ein Revival einläuten zu wollen, es ging nicht um einen Blick zurück, es ging um den Blick nach vorn, um unsere Idee von sportlichen Rädern, von Ausfahrten, von gemeinsamen Aktionen, von der Verknüpfung von Radsport mit Kunst und Kultur. Und wir waren dabei nicht alleine…

Es gab zahlreiche Einflüsse, ohne die die Mütze so wahrscheinlich nicht gestartet wäre, ob Look Mum No Hands in London oder Lola in Den Haag. Aber kopieren war nie unser Ding, eigenständig sein und eigene Ziele und Fixpunkte zu definieren, war uns von Beginn an wichtig. Unser Laden und Café waren wichtiger und gern genutzter Anlaufpunkt für kreative Radbegeisterte, deren individueller Blick auf frische Marken bei uns auf fruchtbaren Boden fiel. Wir haben mit und durch unsere Kunden gelernt, uns darin versucht, vieles möglich zu machen, sind dabei manchmal gescheitert, aber haben zumindest etwas gelernt. Unser langjähriges Einzelhandels-Knowhow hat am Anfang geholfen, einen Hauch von Struktur zu errichten, um den täglich wachsenden Herausforderungen gerecht zu werden.

Wir waren wach und neugierig, wenn es um all das ging, was unseren Laden ausmacht: innovative und stylische Bekleidung, hochwertiges Zubehör, spannende Radmarken und Rahmenbauer, einfach alles Besondere aus dem unfassbar großen Kosmos Fahrrad. Geschult im Do-It-Yourself-Gedanken des PunkRock, aber professioneller zu werden war nie Teufelszeug. Weil wir das Ziel nicht aus den Augen verloren haben.  

Uns war nicht wichtig, die schnellsten Rennrad-Ausfahrten zu machen, wir wollten die schönsten Wege mit tollen Rädern und inspirierenden Menschen fahren. Und wir haben gerne Schotterwege nach Vorbild der Strade Bianche der Eroica in unsere Touren eingebaut. Feedback: warum fahrt ihr so beschissene Wege? Unser damaliges Streckenportfolio haben wir in den Zeiten vor Komoot und wahoo erfahren, im wahrsten Sinn der Worte. Immer wieder, damit wir bei der Ausfahrt die Strecke kannten.

Wir haben zum Glück die Gabe, unsere Ideen, unser Tun und Handeln in Bilder und Wörter umzusetzen. Wir können unsere Aufbauten, unsere Ausfahrten, den Laden und die Veranstaltungen so beschreiben, dass man sie versteht, unsere Motivation nachvollziehen kann, auch wenn man nicht vor Ort ist. In den Zeiten von Social Media ist das ein Geschenk. Auch wenn unser Agieren in den Netzwerken nie von Professionalität geprägt war, sondern von Kreativität und Mut zur Lücke. Lieber die Hingabe genialer Dilettanten als die Professionalität abgezockter Alleskönner.

Man hätte vieles besser machen können, professioneller, hätte sich Irrwege sparen und manchmal auch nix machen können. Hätte wahrscheinlich auch funktioniert, wäre aber langweiliger gewesen. Es war nie Ziel, nur Profit-orientierter Radladen zu sein, es ging immer um mehr. Wobei wir wissen, dass wir auch Geld verdienen müssen. Das haben wir zwischendurch noch mal auf die harte Tour erfahren. Aber wer kann schon behaupten, dass er sich nie verfährt. Und wir haben bisher fast immer erkannt, wenn der Weg eine Sackgasse war, sind früh genug umgedreht und haben die andere Abzweigung genommen.

Uns ist klar, dass wir jeden Tag etwas dazulernen, auch weil die Entwicklungen im Fahrradbereich rasant voranschreiten. Scheibenbremsen, elektrische Schaltungen – das, was heute normal ist, war 2014 noch weit weg. Zumindest für uns, weil wir zu der Zeit sicherlich auch kritischer auf neue Konzepte und Techniken geschaut haben. Die Liebe zu traditioneller, zeitloser Technik hat uns nicht verlassen, aber wir gehen heute auch entspannter auf technische Neuerungen zu, lassen uns begeistern.

Die Mütze 2024 ist größer als die Mütze 2014. In vieler Hinsicht. Man kann vergangene Tage glorifizieren und dem mehr Bedeutung geben, als es hatte. Das war nicht unser Plan. Heute sind wir weit über Düsseldorfs Grenzen hinaus als Radladen bekannt, dessen eigenständiges Sortiment an Rennrädern und Gravelbikes einen Besuch lohnt. Unsere individuellen Aufbauten, die vom Beginn an Teil des Konzepts waren, haben einen guten Ruf. Wir haben in den letzten Jahren den erweiterten Raum genutzt, um unser Portfolio behutsam zu erweitern. Und wir haben ein Team, dass den Weg sieht und sich damit identifiziert. Mit Kompetenz, Leidenschaft und Spaß an der Sache. Die Ursprünge, die Grundidee, steht über allem.

Vor vielen Jahren hab ich eine Kurzbeschreibung für die Klassikerausfahrt gemacht, die noch heute die Website schmückt: „Kein Verein, keine Pflicht, keine Etikette, nur die schlichte Lust an alten Rennrädern. Hip oder unhip? Völlig egal. Dreckige Fingernägel vom Schrauben, schwere Beine vom Fahren und ein Schrank voller trashiger Trikots. Ein Faible für Popkultur, gute Bücher & Filme. Kaffee, Stahl & heiße Räder…“ Das kann man locker so stehen lassen, das gilt noch heute. Wobei die Trikots schöner geworden sind. Und die Räder ehrlich gesagt auch.

Danke an euch. An alle, die uns in den letzten Jahren besucht, begleitet, unterstützt, beliefert, beeinflusst oder herausgefordert habt. Dank an alle, die Teil des Teams, Teil der Geschichte geworden sind. Es war ein unglaublicher Ritt, den wir so nicht erwartet hätten. Aber hinterher ist man immer schlauer.

Carsten Wien

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5 Kommentare

  • Andreas am

    10 Jahre happy shiny peops, bikes und unfassbar viel Freude am Radfahren – gebt weiterhin Kette!

  • Elliott am

    Happy Birthday :)

  • Olaf Ebeling am

    Das habt Ihr sauber hinbekommen, Chapeaux, Schicke Mütze!

    Ich bin gestern noch an der Vollrather Höhe vorbeigeradelt und erinnerte mich mit einer Mischung aus Melancholie und wohligem Gruseln daran, dass wir uns da mit der Klassikerausfahrt auf 21er Reifchen, Felgenbremsen und ohne Helm hinuntergestürzt haben. Das ist schon ein paar Jahre her, aber ich erinnere mich gerne an die Anfänge mit den Bahntagen, dem Markt in Rommerskirchen und die Runden auf den alten Rädern.

    Macht weiter so bitte und Grüße an alle!

  • Jon at Twotone am

    Herzlichen Glückwunsch und auf die nächsten 10! Props dass ihr einer der besten Fahrradläden der Welt seid!

  • Sylvia am

    Herzlichen Glückwunsch! Gut, dass ihr da seid.😊

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