Das hat doch mal gerockt – Die Mütze und das Düsseldorfer Radsportwochende

Das hat doch mal gerockt – Die Mütze und das Düsseldorfer Radsportwochende

Wir hatten Spaß, haben geflucht, ein wenig gelitten, sind schnell und langsam gefahren, haben laut angefeuert, uns geärgert und waren glücklich über dickes Lob. Ein tolles Wochenende mit Radsport, alten und neuen Freunden, vielen Emotionen und der Erkenntnis, dass zwar nicht alles perfekt gelaufen ist, aber vieles schon richtig gut war – am Düsseldorfer Radsporttag, dem “This is not Pottcrit”-Fixed-Gear-Rennen und unserem Wochenende mit der “Ein Gang ins Glück”-Ausfahrt und unserer kleinen Pastaparty “Zwei Nudeln und ein Bier”.

Montag, 19.09.2016. Die Lokalpresse berichtet umfassend über das durch die Sperrungen der „Race am Rhein“-Rennstrecke angerichtete Verkehrschaos. Man schreibt über zu späte Informationen, ausgefallene Geburtstagsparties, Arbeitnehmer, die die Strecke mit dem Auto queren mussten und so weiter und so fort. Man fragt sich ernsthaft, was passiert, sollte sich die Stadt entscheiden, mal einen autofreien Tag umzusetzen. Und man fragt sich, ob die Lokalpresse selbst nicht mehr dazu hätte beitragen können, Informationen über Sperrungen und Verkehrsbehinderung einzuholen und zu kommunizieren. Stattdessen war vieles, was man im Vorfeld des Düsseldorfer Radsporttages lesen konnte, von Skepsis und Unkenntnis geprägt. Eine unbeschwerte und positive Grundstimmung in der Stadt gegenüber dem Event und auch dem Fahrrad allgemein kann so nur schwer aufgebaut werden. Kommunikation gehört bisher sicherlich nicht zu den Stärken der Orga-Teams, aber man darf nicht vergessen, dass Düsseldorf den Radsporttag relativ schnell umgesetzt hat. Und es wäre verwunderlich, wenn dann alles beim ersten Mal schon perfekt läuft.

Dass sich dennoch morgens um 9:00 Uhr Menschen an die Strecke stellen und den Sportlern zujubeln zeigt doch, dass Radsport in Düsseldorf und Umgebung geht. Natürlich sieht es auf den ersten Blick imposanter aus, wenn sich Autosportenthusiasten auf der überschaubaren Kö um ein paar Gummikreise-ziehende PS-Boliden ballen, aber der Radsport trägt halt die Begeisterung ins Umland. Jeder Zuschauer an der Strecke trägt seinen kleinen Teil bei und erlebt seinen ganz eigenen Ausschnitt der Veranstaltung. In diesem Fall in Düsseldorf, Erkrath, Ratingen und allen voran Mettmann. Dort hat man von städtischer Seite aktiv darauf eingewirkt, Zuschauer an die Strecke zu holen, mit Erfolg, wie unschwer zu erkennen war. Es war großartig zu erleben, mit welcher Begeisterung jung und alt quer durch alle Nationalitäten am Straßenrand dabei waren.

Die Strecke selbst machte im abgesperrten Zustand den guten Eindruck, den man erhoffte, schließlich war die Runde an normalen Tagen dank nervöser Autofahrer kein Vergnügen. Hier hat das Orgateam bewiesen, dass sie ihr Handwerk verstehen. Sicherlich hat Düsseldorf weitaus reizvollere Strecken zu bieten, aber denen fehlt die Eignung für ein breites Fahrerfeld, wie es bei der Tour zu erwarten ist. Dass am Ende nach der Zieleinfahrt die Wege zu schmal waren, sind Kinkerlitzchen, die bei der Tour keine Rolle spielen. Sollte wie geplant im nächsten September wieder ein Düsseldorfer Jedermannrennen auf dem Kalender stehen, so kann man davon ausgehen, dass die Verantwortlichen aus dem Stau gelernt haben und für das nächste Jahr neue Lösungen parat haben.

Aber es gab ja nicht nur das “Race am Rhein”, auch der Klassiker „Rund um die Kö“ fand zeitgleich statt. Während man dort in den vergangenen Jahren meist gähnende Leere an den Absperrgittern vorfand, profitierte man in diesem Jahr ab Mittag von den Jedermännern und ihren Familienangehörigen. Ordentlich Luft nach oben hat hier sicherlich die Ablaufplanung, das „haben wir schon immer so gemacht“ sollte angesichts der wenig erbaulichen Erfahrungen der letzten Jahre kein Argument sein. Es ist bedauerlich, dass der Radsportnachwuchs morgens um 9:00 Uhr auf der Königsallee vor leerer Kulisse seine Runden drehen muss. Wenn dann parallel dank einer großzügigen Spende unter dem Namen Petit Départ ein gehöriger Aufwand betrieben wird, um den Nachwuchs erstmal zu gewinnen, wirkt eine solche Planung absurd.

Ein Event wie “Rund um die Kö”, das eine so lange Geschichte und das Zeug dazu hat, auch heute wieder ein absoluter Radsportklassiker zu sein, muss kompetent und kreativ begleitet und umgesetzt werden, um den Übergang in die heutige Zeit angemessen zu vollziehen. Es ist bitter zu sehen, dass die SportlerInnen aller Altersklassen, die in dem Rahmen in der Düsseldorfer Innenstadt ihr Bestes geben, so wenig Aufmerksamkeit bekommen. Wir hoffen, dass Stadt und Verantwortliche den Wert von “Rund um die Kö” erkennen und entsprechend agieren. Ideen, die Veranstaltung spannender zu gestalten, gibt es bekanntlich genug, Basics wie eine Website wären ein erster Anfang. Sofern die Gestaltung in professionelle Hände gelegt wird.

Aber eigentlich dürfen wir nicht meckern, denn wir haben ja zwei Zeitfenster auf der Kö bekommen und konnten so gemeinsam mit den Teams von FixedPott aus Dortmund und der U-Lock-Justice-Crew aus Dresden unsere gemeinsame kleine Veranstaltung umsetzen: „This is not Pottcrit“ – der erste Besuch des Fixed-Gear-Rennzirkus in unserer Stadt und hoffentlich nicht der letzte. Alle, die dieses Rennen organisiert, moderiert und begleitet haben, haben ehrenamtlich gearbeitet, sind mit Herzblut, Engagement und Kompetenz an die Aufgabe gegangen. Ich bilde mir einfach mal ein, dass auch die Zuschauer rund um die Kö das gespürt haben, Stimmung und Zuspruch auch nach dem Rennen war toll, kein Wunder nach der Moderation von Paul und Fabian. Wenig toll dagegen das Verhalten seitens einiger Offizieller, die mal wieder bewiesen haben, dass sie als vermeintliche Gralshüter des wahren Sports jeglichen frischen Wind außen vor halten wollen. Ein bitterer Nachgeschmack und die Erkenntnis, dass eine Zusammenarbeit in solcher Konstellation nicht wieder stattfinden wird. Hier darf man getrost den Blick nach Köln richten, „Rund um Köln“ als Radsportevent beweist, dass Jung und Alt einträchtig und gut gelaunt im Radsport wunderbar zusammen funktionieren, dort rocken die Kollegen von RAD Race die Strecke.

Köln merkt man auch anhand der Aussteller rund um die Rennen den Erfahrungsvorsprung an, die Meile auf der Steinstraße wirkte noch etwas wenig inspiriert und zögerlich in Sachen Radsport. Böse Stimmen sprachen vom Schützenfest in der Provinz und vermissten die Handyschalenverkäufer, wir hingegen sind uns sicher, dass man zukünftig mehr Aussteller und Gastro-Anbieter findet, die der Ausrichtung als internationales Radsportevent entsprechen. Unsere Partner von POC, Adidas und Campagnolo haben da ja einen Anfang gemacht. Der Düsseldorfer RadAktiv-Tag ist in der Ausrichtung etwas anderes, aber sollte in Sachen Atmosphäre Vorbild sein.

Gefreut hat uns, dass die Begeisterung von Porno al Forno für die kommende Tour und das Race am Rhein zu so viel Aufmerksamkeit seitens der Medien und schließlich auch der Offiziellen geführt hat. Wir hoffen natürlich, dass man auch im Bereich musikalischer Untermalung noch weitere Schritte vorwärts geht, Möglichkeiten zur Kooperation gibt es gerade in Düsseldorf ausreichend. Bei „This is not Pottcrit“ haben wir das musikalische Programm ja selbst versemmelt, das passiert uns garantiert nicht nochmal.

Unsere eigenen Festlichkeiten in der Schicken Mütze gingen bereits am Samstag los, schließlich galt es, Gäste zu empfangen und ihnen etwas von Düsseldorf zu zeigen. Dass eine Fixed-Gear-Legende wie Alfred Bobe Jr. aus Brooklyn, der im Anschluss an “This is not Pottcrit” einem jungen Fan aus der Fassung brachte, weil er ihm seine signierte Startnummer schenkte, am Samstag mit dem Team der Schicken Mütze und vielen anderen auf Singlespeed-Tour ins Düsseldorfer Umland aufbricht, macht uns glücklich. Alfred und all die anderen Fixed-Gear-Heldinnen und Helden haben an diesem Wochenende verdeutlicht, welch spannende und nötige Bereicherung der Radkultur sie sind. Individualisten, Nonkonformisten, durchgeknallte Speedfreaks und reflektierte Feingeister, alles dabei, alles wichtig und genau richtig in der Mütze. Wir merken in solchen Momenten, dass wir mit unserem Ansatz, unserem Interesse an Design, Kunst und Kultur, nicht alleine stehen und Teil eines großen Ganzen sind. Auch wenn das in Düsseldorf noch ein zartes Pflänzchen ist.

Am frühen Samstagabend gab es dann bei Bier und Nudelsalat ein Beisammensein nach unserem Geschmack. Ein Film von Carolin Kewer, der Organisatorin der Art-Crash-Rides in Los Angeles, dazu Gäste aus dem traditionellen Radsportumfeld im innigen Plausch mit Fixed-Gear-Piloten. FixedPott-Mastermind Paul Baluch moderierte sich halb im Keller liegend warm, in dem er zum Goldsprint auf die Rolle bat. Laute Jubelrufe klangen durch den Hof der Mütze, der Spaß war an diesem Abend greifbar. Ordentlich gerockt hat den Goldsprint dann unser Lokalmatador Stefan, den wir auf der Strecke am Sonntag schwer vermisst haben.

“Rennrad ist der neue Punkrock” hieß eine der Schlagzeilen, als wir die Mütze aufgemacht haben. Das Zitat wirkt sicherlich etwas zu kurz gegriffen, die Rennradkultur ist ähnlich vielschichtig wie musikalische Geschmäcker. Und ein Rudolf Scharping ist als Präsident des BDR so weit vom Punkrock entfernt wie Heino. Langeweile in Dosen. Aber genau deshalb brauchen Radsport und die zugehörigen Events eine gehörige Portion Frischzellen. Es geht nicht immer nur darum, sportliche Eliten zu bilden, sondern es geht auch um Spaß. Wenn der dabei ist, folgt die Leistung meist von ganz alleine. Man muss Menschen mitnehmen und ihnen zeigen, wie toll eine Ausfahrt mit dem Rad sein kann. Ob auf der Rennstrecke oder über Wirtschaftswege ist dann zweitrangig. Am Ende des Tages wollen wir alle nur ein paar gute Stunden auf dem Rad genießen.

Thomas Geisel und die Stadtführung betonen, dass sie den Schwung nutzen wollen, den die Tour de France bietet, um Radfahren in Düsseldorf langfristig nach vorne zu bringen. Wir sollten das ernst nehmen und unterstützen, nicht alles an ein oder zwei Events messen, an einem oder zwei Radwegen festmachen, sondern daran arbeiten, langfristig die Aufmerksamkeit der Düsseldorfer zu wecken und dauerhaft einen Umschwung hin zum Rad zu ermöglichen. Die Stadt Düsseldorf hat Jahrzehnte nur ans Auto gedacht, jetzt ist es Zeit für einen Wandel. Und dieses Wochenende hat bei aller Kritik sicherlich auch vielen gezeigt, wie viel Spaß Radsport machen kann. Und wie viel Beachtung das in aller Welt auslösen kann, werden wir alle spätestens im Juli 2017 erleben.

Die Mütze sagt Danke. An alle, die geholfen haben dieses Wochenende so groß zu machen. Ein Knicks in Richtung Dortmund und ein Knicks in Richtung Dresden – Fixedpott & U-Lock-Justice-Crew rocken das Haus. Digger.

Kette rechts, wir sehen uns…

Eure Mützen…

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